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Wie eine Steuer für Qualität sorgt (20.04.2016)

Das deutsche Reinheitsgebot beim Bier geht auf einen bayerischen Erlass zurück

Wir schreiben den 23. April 1516 – der bayerischen Herzog Wilhelm IV. aus Ingolstadt und sein Bruder Herzog Ludwig X. erlassen eine Herstellungsvorschrift für Bier, die nur noch drei Rohstoffe erlaubte: Wasser, Malz und Hopfen. Der vierte Rohstoff Hefe kam erst später hinzu. Was so fürsorglich für die Biertrinker aussieht, hat einen ziemlich banalen Hintergrund: Mit der klaren Regelung der Zutaten konnte man diese besser besteuern. Und die Biersteuer, oder Ungeld, wie es damals genannt wurde, war eine gute Einnahmequelle. „Ungeld wäre auch heute noch ein guter Name für eine Steuer“, meint Klaus Dürr schmunzelnd. Er ist Brauer bei der größten westmittelfränkischen Brauerei, der Landwehr-Bräu in Reichelshofen. „Aber das Reinheitsgebot hat die Bevölkerung auch vor so manchen Panschern geschützt.“ Vor der Herstellungsvorschrift war es nämlich durchaus üblich, dass Brauer die abenteuerlichsten Zusatzstoffe ins Bier gaben, vor allem, wenn das Bier einmal nicht so geworden ist, wie es eigentlich sollte. Mit der Zugabe von Tollkirsche oder Stechapfel wurde die berauschende Wirkung verstärkt, Späne, Pech und Ruß gaben dem Bier eine schönere Farbe und mehr Würze im Geschmack. Derartige Panschereien sollen sogar vereinzelt zu Tod der Konsumenten geführt haben.

Ehrlich gesagt war Herzog Wilhelm IV. nicht gerade der erste, der eine derartige Vorschrift erließ. Die Franken waren teilweise schneller, so gibt es schon aus Bamberg und Nürnberg deutlich ältere Zeugnisse aber auch aus München sind ältere Überlieferungen bekannt. Doch durch die kontinuierliche Erweiterung des Machtbereiches von Herzog Wilhelm IV. war es letztlich seine Vorschrift, die sich zum deutschen Reinheitsgebot durchsetzte und mit dem Reichsgesetz vom 7. Juni 1906 für ganz Deutschland übernommen wurde. Im Lauf der Zeit gab es immer wieder Ausnahmen, so wurde für obergäriges Bier die Zugabe von Zucker gestattet und nach dem Zweiten Weltkrieg durften aus Mangel an Rohstoffen vorrübergehend weitere Zusätze verwendet werden. Solche Zugaben waren auch in der DDR bis zu deren Ende erlaubt. Die Bayern rückten aber niemals von „ihrem Reinheitsgebot“ ab – Zucker war hier verboten und führte sogar in den 1950er Jahren zum „Süßbierstreit“. „Damals schaffte es Bayern, dass zuckerhaltiges Bier aus anderen Bundesländern nicht zu uns importiert werden durfte“, erklärt der mittelfränkische Brauer. Deshalb wurde in den 1950er Jahren meist vom bayerischen Reinheitsgebot gesprochen, bis in den 1960er Jahren die europäische Wirtschaftsgemeinschaft den Biermarkt vereinheitlichen wollte. Da wehrte sich der deutsche Brauerbund gegen den Import von ausländischen Bieren, die nicht nach dem Reinheitsgebot hergestellt waren. „Das ausländische Bier wurde damals als Chemiebier beschimpft“, so Dürr. Ein Rückschritt fast in die Zeit der Panscherei ist deshalb das Jahr 1987. Nach einem Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof dürfen nun in Deutschland wieder Biere verkauft werden, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wurden. Die meisten deutschen Brauereien halten sich aber nach wie vor an das Reinheitsgebot, hat es sich doch zu einem weltweiten Qualitätsmerkmal entwickelt. Mehr noch, seit 1994 ist deutsches Bier, das nach dem Reinheitsgebot gebraut wurde, von der EU als geschütztes „traditionelles Lebensmittels“ geadelt. Genau aus diesem Grund ist auch für Reinhard Mai das Reinheitsgebot unantastbar. Der Geschäftsführer der kleinen über 350 Jahre alten Reindler-Bräu in Jochsberg (Landkreis Ansbach) würde es niemals aufgeben: „Das ist einfach ein Qualitätsmerkmal, das für unsere Kunden wichtig ist. Damit unterscheiden wir uns von vielen Großbrauereien, bei denen die Qualität abgenommen hat.“

Bierland Franken
Von Altfränkisch über Helles und Radler bis hin zum Weißbier – in Bayern entstehen aus den vier natürlichen Rohstoffen, die das Reinheitsgebot zulässt, in über 600 Brauereien knapp 4.000 Biersorten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es noch 30.000 in ganz Bayern, darunter aber auch viele Klöster, Haus- und Dorfbrauereien. Entgegen der landläufigen Meinung gibt es die meisten aber nicht in Oberbayern, sondern in Franken – heute steht hier rund die Hälfte aller bayerischen Brauereien. 90 Prozent von ihnen arbeiten handwerklich und entsprechen damit genau dem Trend, der aus Amerika und England nach Deutschland schwappt: Craft Beer – wobei craft nichts anderes bedeutet, als ein handwerklich hergestelltes Bier. Zusätzlich setzen die kleineren Brauereien in Franken auf regionale Rohstoffe. Dadurch haben sie keine Probleme mit der Qualität und müssen beispielsweise keine Schadstoffbelastung befürchten. Das Malz aus veredelter mittelfränkischer Braugerste wird mit Wasser vermischt und erhitzt, danach kommen Spalter Hopfen und Hefe hinzu. Mit der Hefe beginnt die Gärung und der Alkohol entsteht. Oftmals gibt die Lagerung noch den letzten Schliff zum individuellen Aroma. Durch systematische Brauprozesse gibt es heute keine Qualitätsschwankungen mehr, wie noch im Mittelalter. „Das Bier von 1516 möchte heute keiner mehr trinken“, ist der Brauer überzeugt. „Damals waren die Gärung und am Ende der Geschmack eher Glückssache.“ Heute geht der Trend wieder zu den regionalen, individuellen Bieren. In den letzten Jahren haben dagegen die sogenannten Fernsehbiere, die überall zu kaufen sind, beim Umsatz stark verloren.

Bereits die Sumerer tranken Bier
Bier hat eine sehr lange Tradition, schon 3.000 vor Christus tranken die Sumerer ein bierähnliches Getränk mit relativ wenig Alkohol: trüb, lauwarm und süß, wie ein flüssigerer Brotteig. Es entstand schon damals eine richtige Bierkultur mit rund 70 Biersorten. Dafür gab es auch schon spezielle Bierhäusern. Griechen und Römer bevorzugten dagegen Wein, Bier tranken hier eher arme Menschen. Ganz anders bei den Germanen – in Kulmbach fand man Bierkrüge von 800 vor Christus, aus denen das Bier zu besonderen Feiern getrunken wurde. Im Mittelalter brauten viele Klöster zunächst nur für den eigenen Bedarf, erst ab dem 7. Jahrhundert entwickelte sich eine erste Systematik in der Herstellung. Abläufe wurden hinterfragt, neue Rezepturen getestet und mit verschiedenen Pflanzen experimentiert. Damit waren die Mönche deutlich weiter, als die meisten weltlichen Gasthäuser, wo die einsetzende Gärung oft Zufall war. Es wundert deshalb nicht, dass die meisten technischen Geräte in den Klöstern entwickelt wurden. Ab dem 12. Jahrhundert wurde statt verschiedener Kräutermischungen Hopfen eingesetzt. So bekam das Bier seine typisch herbe Note und mit dem Hopfen konnte es besser gelagert und damit auch transportiert werden. In dieser Zeit entdeckten Adlige und Städte das Bier als Einnahmequelle für die leeren Kassen, so dass die Klöster weltliche Konkurrenz bekamen. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich übrigens Nord- und Süddeutschland auseinander: Während im Norden das Bier unter der Konkurrenz von Kaffee oder Tee litt, entstanden in Bayern viele Brauereien und Bier wurde zum Volksgetränk.

www.landwehr-braeu.de